
Personalisierte, risikoadaptierte Therapie des Zervixkarzinoms
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Stephan Polterauer
Klinische Abteilung für Allgemeine Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie
Universitätsklinik für Frauenheilkunde Medizinische Universität Wien
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Neue Studiendaten und Leitlinien ermöglichen eine personalisierte Therapie von Patientinnen mit Zervixkarzinom. In Abhängigkeit von der Risikokonstellation kann gegebenenfalls die Radikalität der Operation angepasst werden. Simple Hysterektomie, minimalinvasive Techniken und Sentinel-Lymphadenektomie können nach sorgfältiger Abklärung bei ausgewählten Niedrigrisiko-Tumoren zum Einsatz kommen. Bei größeren Tumoren gilt die (modifizierte) radikale Hysterektomie weiterhin als Standard. Bei lokal fortgeschrittenen Hochrisiko-Tumoren wird die Chemoradiotherapie durch eine Pembrolizumab-Therapie erweitert.
Angepasste Radikalität beim frühen Zervixkarzinom
Die chirurgische Therapie bleibt ein zentraler Bestandteil der Behandlung des frühen Zervixkarzinoms. In den letzten Jahren hat sich jedoch ein Paradigmenwechsel vollzogen: weg von einer uniformen radikalen Herangehensweise hin zu einer risikoadaptierten Strategie. Aktuelle Studien wie SHAPE, Senticol, Sentix und PHENIX liefern eine robuste Evidenzbasis für den Einsatz der simplen Hysterektomie und der Sentinel-Lymph-knoten(LKN)-Resektion. Ziel ist es, die onkologische Sicherheit zu wahren und gleichzeitig funktionelle Langzeitfolgen zu minimieren.
SHAPE-Studie: simple Hysterektomie bei Niedrigrisikotumoren
Die SHAPE-Studie untersuchte Patientinnen mit FIGO-IA2–IB1-Low-Risk-Zervixkarzinom. Low Risk war definiert durch Tumorgröße ≤2cm, Stromainvasion <10mm und Infiltrationstiefe <50% (MRT). Patientinnen wurden mit simpler oder radikaler Hysterektomie und LKN-Resektion behandelt. Die Ergebnisse zeigten ein rezidivfreies Überleben von 95,1% (simple HE) vs. 96,3% (radikale HE), ohne signifikante Unterschiede im Gesamtüberleben. Gleichzeitig wurden signifikante Reduktionen funktioneller Störungen und postoperativer Morbidität berichtet. Die präoperative Konisation ermöglicht eine exakte Einschätzung von Tumorgröße, Invasionstiefe und LVSI („lymph-vascular space invasion“) und bildet somit eine Grundlage der Therapieplanung bei Low-Risk-Tumoren.
Minimalinvasiver oder offener Operationszugangsweg?
Der optimale OP-Zugang bei simpler HE von Low-Risk-Karzinomen ist noch nicht abschließend geklärt. Während für radikale HE nach der LACC-Studie die offene Chirurgie empfohlen wird, deuten Subanalysen der SHAPE-Studie darauf hin, dass nach R0-Konisation das Rezidivrisiko sowohl bei offener als auch bei MIC sehr niedrig ist. Ergebnisse der Studien ENGOT-cx23-LASH und ROCC werden zur Klärung dieser Frage beitragen. Bei R1-Konisation ist das Rezidivrisiko erhöht und es sollte jedenfalls eine offene Operation bevorzugt werden.
Sentinel-Lymphknoten-Biopsie: präzises Lymphknoten-Staging
Die SLN-Technik mit Indocyaningrün gilt mittlerweile als gut etablierter Standard bei Tumoren <4cm und es kann in ausgewählten Fällen auf eine systematische LKN-Resektion verzichtet werden. Studien wie Senticol und Sentix zeigen eine Sensitivität von >95% in Bezug auf die SLN-Detektion und eine signifikante Reduktion lymphatischer Morbidität. Die PHENIX-Studie zeigte, dass bei negativem SLN auf die systematische pelvine Lymphadenektomie verzichtet werden kann – bei gleichwertiger onkologischer Sicherheit und reduzierter Morbidität. Die Untersuchung der resezierten LKN mittels Ultrastaging ist ein essenzieller Bestandteil zur Erkennung von Mikrometastasen und ITC.
Differenzierte operative Strategien
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Tumor ≤2cm, Stromainvasion <10mm, Infiltration <50%: einfache Hysterektomie+SLN-LKN-Resektion
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Tumor 2–4cm bzw. Tumoren ≤2cm mit Stromainvasion >10mm oder Infiltrationstiefe >50%: offene (modifizierte) radikale Hysterektomie+SLN oder systematische LKN-Resektion
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Fertilitätserhalt (z.B. radikale Trachelektomie): nur in spezialisierten Zentren mit exakter Diagnostik und sorgfältiger Selektion (z.B. am Gynäkologischen Krebszentrum der MedUniWien)
Lokal fortgeschrittenes Zervixkarzinom (LACC): multimodale Therapie
Beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom (LACC) bleibt die definitive Radiochemotherapie mit bildgestützter adaptiver Brachytherapie der Standard. Die EMBRACE-Studien zeigten exzellente lokale Kontrollraten von >90% bei limitierter Morbidität. Zusätzlich wurde in der KN-A18-Studie Pembrolizumab als Ergänzung zur Radiochemotherapie bei Hochrisiko-LACC evaluiert und ein signifikanter Benefit im progressionsfreien und im Gesamtüberleben festgestellt. Seit 2024 ist eine Erweiterung der Therapie mit Pembrolizumab für insgesamt 2 Jahre im FIGO(2014)-Stadium III–IV empfohlen und wurde bereits zugelassen. Das chirurgische, paraaortale LKN-Staging vor geplanter Strahlentherapie wird aktuell nicht empfohlen, da in Studien kein Überlebensvorteil gezeigt werden konnte.
Selektion und interdisziplinäre Betreuung
Essenziell für die Therapieentscheidung ist die präzise Selektion mittels klinischer Untersuchung und Bildgebung (MRT, CT, PET-CT), ggf. mittels diagnostischer Konisation und SLN-Biopsie mit Ultrastaging. Die operative Versorgung von Patientinnen mit Zervixkarzinom sollte ausschließlich in zertifizierten gynäkoonkologischen Zentren erfolgen.
Fazit
Die Behandlung des Zervixkarzinoms bleibt im Wandel: Moderne Staging-Techniken, eine angepasste chirurgische Radikalität und neue Ansätze wie Immuntherapie bei LACC eröffnen patientenzentrierte Behandlungswege. Eine interdisziplinäre, zentralisierte Behandlung ist entscheidend für den Behandlungserfolg.
Literatur:
beim Verfasser
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