
Neue ESGO-ESTRO-ESP-Leitlinie
Autor:
Ap. Prof. Priv.-Doz. DDr. Richard Schwameis
Abteilung für allgemeine Gynäkologie und gynäkologische Onkologie
Gynecologic Cancer Unit
Comprehensive Cancer Center
Medizinische Universität Wien
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Das Endometriumkarzinom ist die häufigste gynäkologische Krebserkrankung in Europa – und ihre Behandlung verändert sich aktuell grundlegend. Mit dem neu publizierten Update der ESGO-ESTRO-ESP-Leitlinien rücken die molekulare Klassifikation, personalisierte Therapiestrategien und Immunonkologie verstärkt in den Mittelpunkt. Für Ärzt:innen und Patientinnen bedeutet das: mehr Präzision, weniger Überbehandlung und neue Chancen bei fortgeschrittener Tumorerkrankung.
Endometriumkarzinom 2025: was sich mit den neuen ESGO-ESTRO-ESP-Leitlinien ändert
Das Endometriumkarzinom ist in Europa das häufigste gynäkologische Beckenmalignom. Mit der 2025 veröffentlichten Aktualisierung der gemeinsamen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für gynäkologische Onkologie (ESGO), der Europäischen Gesellschaft für Strahlentherapie und Onkologie (ESTRO) und der Europäischen Gesellschaft für Pathologie (ESP) wurden Diagnostik, Stadieneinteilung und Therapie an die Evidenz der letzten Jahre angepasst. Insbesondere die FIGO-Klassifikation 2023und die Ergebnisse der Studien, die Immuntherapien in der Erstlinie untersuchten, wurden inkludiert. Ziel der Leitlinie ist eine präzisere, auf molekularpathologischen Parametern basierende Betreuung, die Unter-, aber auch Übertherapie vermeidet.
Epidemiologie, Biologie und die Rolle der Molekularklassifikation
Die ESGO/ESTRO/ESP-Leitlinie unterstreicht einmal mehr, dass das Endometriumkarzinom keine homogene Entität darstellt, sondern dass sich hinter dem Terminus Endometriumkarzinom unterschiedliche Erkrankungen befinden. Man unterscheidetmittlerweile fünf molekulare Subtypen. Die fünf molekularen Subtypen sind entscheidend für die Prognose und Therapieentscheidungen: POLE-mutierte Tumorgruppe (POLEmut), Mismatch-Repair-defiziente Tumorgruppe (MMRd), p53-abnorme Tumorgruppe (p53abn), NSMP-Tumorgruppe („no specific molecular profile“). Die NSMP-Tumorgruppe wird nun in zwei Subgruppen, eine Low-Grade- UND Östrogenrezeptor-exprimierende Subgruppe und in eine High-Grade- und/oder Östrogenrezeptor-negative Gruppe unterteilt (Abb. 1). Die molekularpathologische Klassifikation fließt systematisch in die Risikogruppen und – über die FIGO-Klassifikation – sogar in die Stadienbenennung ein (z.B. Stadium IAm POLEmut, IICm p53abn).
Neue Risikogruppen-Klassifikation
Kernstück der neuen ESGO/ESTRO/ESP-Leitlinie ist die Risikogruppenklassifikation (Tab. 1). Alle Patientinnen werden anhand klinischer, histopathologischer,aber auch molekularpathologischer Parameter in eine Risikogruppe eingeteilt. Die Risikogruppen sind so definiert, dass sie das Risiko für das Auftreten eines Rezidivs innerhalb von fünf Jahren abbilden. So haben Patientinnen der Low-Risk-Gruppe ein Risiko von <8%, Patientinnen der Intermediate-Risk-Gruppe ein Risiko von 8–15%, die Patientinnen der High-Intermediate-Risk-Gruppe ein Risiko von 15–25% und Patientinnen der High-Risk-Gruppe ein Risiko von >25%, ein Rezidiv innerhalb von fünf Jahren zu entwickeln (Tab. 1).
Adjuvante Therapieempfehlungen bei komplett resezierten Tumoren
Für jede Risikogruppe wurden klare Therapieempfehlungen definiert (Abb. 2).
Abb. 2: Algorithmus zur adjuvanten Therapie beim Endometriumkarzinom Stadium IA–IVA
* Die Patientinnengruppe mit unklarem Risiko ist im Algorithmus nicht dargestellt: Für FIGO-2023-Stadium IA1m NSMP high-grade oder Östrogenrezeptor-negativ (oder beides) oder p53abn sowie für Patientinnen mit FIGO-Stadium IC1m NSMP high-grade oder Östrogenrezeptor-negativ (oder beides) oder p53abn liegen unzureichende Daten vor und eine adjuvante Therapie wird generell nicht empfohlen. Für Patientinnen mit FIGO-Stadien IIIm POLEmut und IVAm POLEmut gibt es keine festen Leitlinien; hier kann jedoch ein Deeskalieren von Hochrisikobehandlungen erwogen werden. † Besonders bei Patientinnen unter 60 Jahren oder mit Low-Grade-Endometriumkarzinom (II, A). ‡ Externe Strahlentherapie wird für optimale lokale Kontrolle im Becken empfohlen. § Vaginale Brachytherapie ist eine Alternative, insbesondere bei Patientinnen mit Lymphknoten-Staging und welche pN0 sind. ¶ Es sollte keine adjuvante Therapie erwogen werden, besonders bei Patientinnen mit Lymphknoten-Staging und pN0, ohne substanziellen lymphovaskulären Befall und Low-Grade-Endometriumkarzinom. EBRT = „external beam radiotherapy“
Erstlinien-Therapieempfehlung bei primär fortgeschrittenen Tumoren oder bei rezidivierter Erkrankung (inklusive inkomplett resezierter Tumoren)
Der in Abbildung 2 gezeigte adjuvante Therapiealgorithmus bezieht sich auf Patientinnen, bei denen der Tumor komplett entfernt werden konnte. Die neue ESGO-ESTRO-ESP-Leitlinie gibt aber auch Therapieempfehlungen für Patientinnen mit einer nicht resektablen, primär fortgeschrittenen oder rezidivierten Erkrankung und für Patientinnen, bei denen der Tumor nicht zur Gänze operativ entfernt werden konnte (Abb. 3).
Abb. 3: Systemische Erstlinientherapie im inoperablen Stadium III–IV oder bei rezidivierendem Endometriumkarzinom ohne vorherige Chemotherapie, außer im adjuvanten Setting (einschließlich Patientinnen mit Resttumor nach Operation). EBRT = „external beam radiotherapy“, MA = Megestrolacetat, MPA = Medroxyprogesteronacetat
Für diese Patientinnengruppe gab es deutliche Änderungen in der ErstlinienTherapieempfehlung. Drei groß angelegte Phase-III-Studien, welche Chemotherapie in Kombination mit Immuntherapie und teilweise mit PARP-Inhibitoren untersuchten, zeigten eine deutliche Verlängerung des progressionsfreien und mitunter auch des Gesamtüberlebens. Darüber hinaus wurde ebenfalls die Option einer Anti-HER2-Therapie in die Algorithmen aufgenommen.
Fazit
Die ESGO-ESTRO-ESP-Leitlinie 2025 markiert den Übergang von einer „Onesizefitsall“-Therapiestrategie zu einem hoch individualisierten präzisionsmedizinischen, auf molekularpathologischen Parametern basierenden therapeutischen Vorgehen.
Die wesentlichsten Änderungen umfassen: die Einführung der konsequenten molekularpathologischen Diagnostik, die dem Rezidivrisiko angepasste Risikogruppen- Klassifikation mit entsprechenden adjuvanten Therapiestrategien, welche die Immuntherapie inkludieren. Die Kombination aus Chemotherapie und Immuntherapie ist ein Standard in der Therapie des fortgeschrittenen und rezidivierten Endometriumkarzinoms geworden. Ärzt:innen, die Patientinnen mit Endometriumkarzinomen behandeln, sollten die FIGO-2023-Klassifikation kennen, die Ergebnisse der molekularpathologischen Analysen interpretieren und die sich daraus ergebenden Therapiekonsequenzen ziehen können. Die neue ESGO-ESTRO-ESP-Leitlinie 2025 stellt hierbei eine enorme Hilfe dar.
Literatur:
beim Verfasser
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