Nichtpharmakologische Maßnahmen in der Behandlung von COPD
Autor:
Dr. Christian Felix Summereder
Abteilung für Pneumologie
Ordensklinikum LinzElisabethinen
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Die Betreuung und Begleitung von COPD-Patienten umfasst deutlich mehr als lediglich die Verordnung von inhalativen Devices. Eine Optimierung des Therapiekonzepts sollte regelmäßig im Sinne eines „Bewerten –überprüfen –anpassen“-Ansatzes hinsichtlich sämtlicher pharmakologischer und nichtpharmakologischer Maßnahmen stattfinden und benötigt neben dem Arzt etliche weitere Berufsgruppen wie diplomiertes Pflegepersonal, Physiotherapeuten, Diätologen und vor allem den Patienten selbst.
Keypoints
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Die wichtigste nichtpharmakologische Maßnahme ist der sofortige Rauchstopp.
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Patienten in frühen Stadien profitieren von Ausdauersport, solche in fortgeschrittenen Stadien von Krafttraining bzw. pulmonaler Rehabilitation.
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Zu den weiteren wichtigen Maßnahmen im ambulanten Setting zählen Impfungen, Patientenedukation und Selbstmanagement sowie Ernährungsberatung.
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Die nichtinvasive Heimbeatmung kann bei bestimmten Patientengruppen das Hospitalisierungsrisiko senken.
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Interventionelle Therapien erfordern eine strenge Patientenselektion und die Durchführung in spezialisierten Zentren.
COPD („chronic obstructive pulmonary disease“) ist eine heterogene Lungenerkrankung, die durch chronische Atemwegsbeschwerden (Dyspnoe, Husten, Sputumproduktion und/oder Exazerbationen) aufgrund von abnormalen Atemwegsveränderungen (Bronchitis, Bronchiolitis) und/oder Alveolen (Emphysem) gekennzeichnet ist, die eine bleibende, oft progressive Atemwegsobstruktion verursachen. Die Erkrankung betrifft knapp 500 Millionen Menschen und steht bei den häufigsten Todesursachen weltweit an dritter Stelle. In Österreich sind ca. 15% der über 40-Jährigen betroffen (somit knapp 400000 Menschen). Hierzulande gilt Nikotinabusus weiterhin mit >85% als größter Risikofaktor für die Entwicklung einer COPD.
Therapieziele sind einerseits die Reduktion von respiratorischen Symptomen, andererseits die Reduktion sowie Prävention von Krankheitsprogress und Exazerbationen und der daraus resultierenden erhöhten Morbidität und Mortalität. Neben der optimalen pharmakologischen Therapie, die nach einer sorgfältigen Diagnosestellung sowie einem erweiterten initialen Assessment und entsprechender Zuteilung in die ABE-Klassifikation der GOLD (Global Initiative For Chronic Obstructive Lung Disease) erfolgen sollte, ist insbesondere die enorme Bedeutung von nichtpharmakologischen Maßnahmen nicht zu unterschätzen.
Rauchstopp
Die erste und wichtigste nichtpharmakologische Maßnahme ist eine sofortige absolute Nikotinkarenz. Diese offensichtliche, jedoch oftmals unterschätzte Intervention hat potenziell den größten Einfluss auf den weiteren Verlauf der Erkrankung, die tägliche Symptomlast sowie die Exazerbationsrate. Deshalb sollte die absolute Nikotinkarenz bei jedem Patientenkontakt mit Nachdruck kommuniziert werden und diesbezügliche Angebote sollten durch den betreuenden Mediziner erfolgen, so zum Beispiel die Vermittlung von entsprechenden Entwöhnungsangeboten (z.B. die Website www.rauchfrei.at ) oder Verhaltenstherapeuten. Nach gemeinsamer Festlegung des ersten rauchfreien Tages kann eine Woche vor diesem eine medikamentöse Therapie mit Bupropion oder Vareniclin begonnen und ab dem ersten rauchfreien Tag eine Nikotinersatztherapie etabliert werden.
Neben dem individuellen Rauchstopp einzelner Patienten sind gesetzliche Rauchverbote eine effektive Maßnahme zur Steigerung der Nichtraucherraten und zum Schutz vor Passivrauchexposition. Neuseeland führte 2022 eine gesetzliche Regelung ein, dass nach 2009 geborene Kinder keine Zigaretten mehr kaufen durften, leider wurde dieses Gesetz rezent durch die Nachfolgeregierung gekippt. Auch in Großbritannien ist derzeit eine ähnliche gesetzliche Regelung geplant.
Rehabilitation und physische Aktivität
Während Patienten in den Stadien GOLD I und II von Ausdauersportarten wie Walken oder Fahrradfahren profitieren, um gleichzeitig vorliegende Herz-Kreislauf-Probleme ebenfalls effizient anzusprechen, steht in den späteren Stadien aufgrund des progredient auftretenden Muskelschwunds vor allem das Krafttraining zur Stärkung der (Atemhilfs-)Muskulatur im Vordergrund.
Pulmonale Rehabilitation zeigt in Metaanalysen neben einer Reduktion der Mortalität, der Atemnot und Symptomlast sowie der Hospitalisierungsrate und der Anzahl der Tage im Krankenhaus auch eine verbesserte Lebensqualität, eine Verbesserung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit sowie der Kraft und Ausdauer der Bein- und Armmuskulatur und der Gehdistanz im 6-Minuten-Gehtest. Besonders effektiv ist die Rehabilitation, wenn sie möglichst innerhalb von 90 Tagen nach einem Krankenhausaufenthalt angetreten wird.
Impfungen
Entsprechend den GOLD-Leitlinien und dem Österreichischen Impfplan werden für stabile COPD-Patienten aktuell jährliche Impfungen gegen Influenza und SARS-CoV-2 empfohlen. Als Hochrisikogruppe für einen schweren Verlauf einer invasiven Pneumokokkenerkrankung wird COPD-Patienten eine sequenzielle, altersunabhängige Impfung gegen Pneumokokken geraten – also die Erstimpfung mit einem 15- oder 20-valenten Konjugat-Impfstoff (PCV15/20), gefolgt von einem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23) nach 8 Wochen. Diese Impfserie sollte alle 6 Jahre wiederholt werden und zeigt in Studien eine klare Reduktion von ambulant erworbenen Pneumonien (CAP) und COPD-Exazerbationen. Außerdem wird eine regelmäßige Auffrischungsimpfung gegen Pertussis (Keuchhusten) nach vorangegangener entsprechender Grundimmunisierung in der Kindheit bis zum 60. Lebensjahr alle 10, danach alle 5 Jahre angeraten. Ab dem 50. Lebensjahr sollte die zweifache Impfung gegen Varizellen im Abstand von 2 Monaten erfolgen.
Neu seit 2024 ist die Empfehlung einer Einmalimpfung gegen das respiratorische Synzytial-Virus (RSV)ab dem 60. Lebensjahr.
Patientenedukation und Selbstmanagement
All die oben genannten Punkte sollten im Rahmen von Gesprächen regelmäßig mit den Patienten evaluiert und optimiert werden. Der Patient als Experte für seine eigene Erkrankung ist sicherlich ein anspruchsvolles, aber erreichbares Ziel.
Patientenedukation beinhaltet zusätzlich grundlegende Informationen zur Erkrankung sowie zu Aspekten der medikamentösen Therapie. Idealerweise werden alle erforderlichen inhalativen Substanzen in einem Device verordnet, außerdem führt eine sorgfältige Instruktion zu einer erhöhten Akzeptanz und Therapieadhärenz sowie zu weniger Anwendungsfehlern. Es ist also weniger die Auswahl der inhalativen Substanzen entscheidend als eine Optimierung der Technik und des Inhalatortyps. Studien zeigen eine deutlich niedrigere Adhärenz zur inhalativen Therapie in den niedrigeren GOLD-Stadien, gleichzeitig aber ein deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko bei einer Therapieadhärenz <80% vor allem in den fortgeschrittenen Stadien.
Das Ziel des Selbstmanagements ist es, dem Patienten Werkzeuge zu geben, im täglichen Leben eigenständig zur Optimierung seiner Erkrankungssituation beizutragen, und ihn dabei bestmöglich zu motivieren und zu unterstützen. Hierzu gehört auch ein sogenannter „written action plan“, also eine niedergeschriebene Instruktion, die im Falle von Änderungen in der Wahrnehmung der eigenen Erkrankung frühzeitig dabei hilft, diese zu erkennen und dementsprechend richtig zu handeln. So können Exazerbationen idealerweise vermieden werden; wenn dies nicht gelingt, kann zumindest adäquat darauf reagiert werden.
Selbsthilfegruppen nehmen im Rahmen des Selbstmanagements eine besonders motivierende und bestärkende Rolle ein, entsprechende Angebote sollten flächendeckend angeboten werden.
Ernährungsberatung
Es gibt keine „ideale“ COPD-Ernährung, aber generell sollten Patienten angehalten werden, eine allgemein gültige gesunde Diät einzuhalten. Übergewicht kann bei COPD-Patienten zur Verschlechterung der Dyspnoe beitragen, eine Gewichtsreduktion vor allem in frühen Erkrankungsstadien zur Verbesserung der Belastbarkeit führen. Pulmonale Kachexie, gekennzeichnet durch Gewichtsverlust und Mangelernährung, entwickelt sich im Rahmen einer fortschreitenden COPD-Erkrankung und verschlechtert die Lebensqualität sowie die Prognose. Mangelernährung zeigt in klinischen Studien eine Verschlechterung der Lungenfunktion, eine reduzierte Belastbarkeit, häufigere Exazerbationen und damit verbundene Hospitalisierungen sowie eine erhöhte Mortalität.
Empfohlen wird eine ausgewogene, kohlenhydratreiche Ernährung, in kleineren Portionen über den Tag verteilt. Bei reduziertem Appetit sollte die Zugabe von proteinreichen Kalorienshakes erwogen werden, da sowohl das Exazerbationsrisiko als auch die Mortalität bei pulmonaler Kachexie bzw. Untergewicht signifikant höher sind als bei Normalgewicht oder auch bei leichtem Übergewicht.
Sauerstofftherapie und nichtinvasive Beatmung
Eine Langzeitsauerstofftherapie verlängert das Gesamtüberleben, die Indikation besteht ab einer Hypoxämie definiert als Sauerstoffpartialdruck (PaO2) <55mmHg oder einer Sauerstoffsättigung (SaO2) <88% bzw. bei bekanntem Cor pulmonale oder Polyglobulie einem PaO2>55, aber <60mmHg. Nach entsprechender Verordnung sollte diese nach ca. 2 bis 3 Monaten hinsichtlich Effektivität, aber auch bezüglich weiterhin vorliegender Indikation evaluiert werden.
Bei gleichzeitig vorliegendem nächtlichem Schlafapnoesyndrom zeigt sich eine bessere Datenlage hinsichtlich des Gesamtüberlebens bei Verwendung einer nächtlichen nCPAP-Beatmung („nasal continuous positive airway pressure“).
Die nichtinvasive Heimbeatmung auch während des Tages kann bei bestimmten Patientengruppen nach einer Hospitalisierung das Wiederaufnahmerisiko deutlich senken, hier liegt der Grenzwert für die Tages-Hyperkapnie bei einem Kohlendioxidpartialdruck (PaCO2) von ≥50mmHg oder bei nächtlicher Hyperkapnie bei einem PaCO2 ≥55mmHg. Auch bei einem Anstieg des PaCO2 um ≥10mmHg während des Schlafs bei einer chronischen Tages-Hyperkapnie von 46 bis 49mmHg besteht eine Indikation zur Heimbeatmung.
Interventionelle Therapien
Es gibt eine Reihe von interventionellen Möglichkeiten bei stabilen COPD-Patienten, ausschlaggebend für die Erfolgsrate sind hier sicherlich eine richtige Patientenselektion mittels genauer radiologischer und klinischer Diagnostik sowie die Durchführung in darauf spezialisierten Zentren.
Große singuläre Emphysembullae, welche über ein Drittel eines Hemithorax einnehmen und so das restliche vitale Lungengewebe komprimieren, können einer chirurgischen Bullektomie zugeführt werden.
Da insbesondere die pulmonale Überblähung im Rahmen der dynamischen Hyperinflation bei Patienten mit prädominantem Emphysemtyp zur Reduktion der Lungenfunktion und zur erhöhten Exazerbationsrate führt, können hier operative Lungenvolumsreduktionen und endobronchiale Stents oder Coils zur Verbesserung beitragen. Eine entsprechende Selektion der Patienten je nach Emphysemtyp (heterogenes vs. homogenes Emphysem) und Parametern wie Kollateralventilation und Fissurintegrität ist essenziell.
Ultima Ratio ist die Lungentransplantation, entscheidend ist hier eine rechtzeitige Vorstellung in den entsprechenden Zentren. Bei fortschreitender Erkrankung trotz Ausschöpfens sämtlicher pharmakologischer und nichtpharmakologischer Maßnahmen, einem BODE-Index (Body-Mass-Index, Obstruktion – gemessen in FEV1, Dyspnoe – anhand des mMRC-Scores, „exercise capacity“ im 6-Minuten-Gehtest) von 5 bis 6 Punkten, einem PaCO2 >50mmHg und/oder einem PaO2 <60mmHg und einer FEV1 von <25% sollten die Patienten hinsichtlich einer Lungentransplantation evaluiert werden.
Literatur:
beim Verfasser
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